Tempo raus –
Slow Travel für Kinder jeden Alters

Der Pionier der Slow-Bewegung und Vorkämpfer gegen Altersdiskriminierung Carl Honoré hat ein Kinderbuch geschrieben, das das entschleunigte Reisen feiert

Carl Honoré ist ein preisgekrönter kanadisch-britischer Journalist und Autor, der vor allem als Vordenker der Slow-Bewegung bekannt ist. Die Langsamkeits-Bewegung ermutigt zu bewusstem Entschleunigen als Gegentrend zu einem auf Zeitoptimierung ausgelegten hektischen  Lebensstil – für ein achtsames, intensiveres und gesünderes Leben. Langsamkeit wird in unserer Kultur häufig als negative Begleiterscheinung des Alterns gesehen. So schließt sich der Bogen zu einem weiteren Arbeitsgebiet von Honoré. Der Frage danach, wie unsere Gesellschaft auf das Thema Älterwerden blickt – und was daran kritisch zu sehen ist.

In seinem 2018 erschienenen Buch „Bolder: Making the Most of Our Longer Lives“ (Deutsche Fassung: „Faltenstolz: Über die Schönheit und Kraft des Älterwerdens„) bringt der Carl Honoré diese beiden Interessen zusammen und bietet einen inspirierenden und ermutigenden Blick auf das Altern. In einer Kultur, die Jugend verherrlicht und Älterwerden oft als Problem darstellt, argumentiert Honoré, sei das Altern nicht nur unvermeidlich, sondern auch etwas Positives und Befreiendes. Mit umfangreicher Recherche und bewegenden persönlichen Geschichten fordert er in „Bolder“ unsere bestehenden Einstellungen und Vorurteile heraus und lädt uns dazu ein, die späten Jahre als eine Zeit des Wachstums, der Möglichkeiten und der Erfüllung zu sehen.

Buchvorstellung
Bestseller Autor Carl Honoré

Zurück an den Anfang gedacht – von Slow Living und gutem Altern zum Kinderbuch

Jetzt überrascht Honoré mit einem neuen Projekt: Seine offene und positive Sicht auf das Älterwerden und die Wertschätzung des Prozesses inspirierte ihn, ein Kinderbuch zu schreiben, das sich als Brückenschlag zwischen den Generationen lesen lässt. In seinem 2023 ins Deutsche übersetzten Kinderbuch „Der Weg ist das Ziel – Slow Travel für Kinder“ zeigt er  jungen Menschen am Anfang ihrer Lebensreise, dass es im Leben nicht nur darum geht, Ziele zu erreichen, sondern auch darum, die Reise selbst zu genießen. Das Genießen des Lebens in jedem Moment ist es, was zählt, ganz gleich in welchem Alter. So wie Honoré in seinem Buch „Bolder“ das Älterwerden feiert, zeigt sein farbenfroh illustriertes Kinderbuch auf einladende Art, dass jede Phase des Lebens wertvoll ist. Beide Bücher, obwohl für verschiedene Altersgruppen geschrieben, liefern eine kraftvolle Botschaft: Unabhängig von unserem Alter können und sollten wir ein erfülltes, bewusstes und freudvolles Leben führen.

Buchvorstellung
©Carl Honoré

Wo beginnt deine Reise?

Mit dieser Fragestellung lädt Carl Honorés Kinderbuch zu 40 entschleunigten Reisetipps ein. Seine These: Wenn du langsam reist, kannst du die ganze Vielfalt und Schönheit unserer Welt erleben. Die Entschleunigung macht das Reisen zum Fest für die Sinne und stärkt die innere Kraft. Das Buch ist eine Hymne darauf, achtsam und in angenehmer Geschwindigkeit zu reisen. Deshalb kommen hier viele nicht so schnelle Verkehrsmittel vor: das Fahrrad, der Zug, das Schiff und die Füße.

Es regt nicht nur die Fantasie derjenigen an, die Orte noch nie bereist haben, sondern ist auch für diejenigen spannend, die schon viel rumgekommen sind. Ein generationenübergreifender Spaß und ein tolles Geschenk von Großen an Kleine, von älteren an jüngere Kinder.

Wir sind Fans des generationenübergreifenden Gedankens, den Carl Honoré in seinem neuen Buch entfaltet und haben uns mit dem Guru des Slow-Movement unterhalten:

Beschreibe dich selbst in ein paar Worten und erzähle uns, warum und wie du auf die Idee für das Buch gekommen bist?

Ich bin ein Schriftsteller, der es liebt, Fragen zu stellen und neue Dinge zu entdecken. Ich habe „It’s The Journey“ geschrieben, um Leser jeden Alters dazu zu inspirieren, sich mit weniger Hast und mehr Achtsamkeit durch die Welt zu bewegen. Die kleinen Details und feine Struktur wertzuschätzen, die jeden Ort einzigartig machen. Eltern und Kinder können das Buch nutzen, um mit Hilfe von Worten und Bildern die magische Welt zu bereisen. Viele verwenden es, um ihre nächste Familienreise zu planen!

When you plan less, when you stop following a script, when you start just going with the flow in the moment, travel becomes so much richer and more joyous.

Wie sieht perfektes Slow Travel aus?

Weltweit erkennen die Menschen immer mehr den Fehler, jeden Moment in ein Rennen gegen die Zeit zu verwandeln. Sie haben genug davon, durch das Leben zu hetzen, anstatt es zu leben. Und sie stellen fest, dass Verlangsamen der beste Weg ist, alles besser zu machen und es mehr zu genießen. Dies gilt insbesondere für Reisen. Zu oft wird das Reisen von den “vier Reitern der modernen Zeit” ruiniert: Stress, Ungeduld, Ablenkung und Geschäftigkeit. Wenn du zu schnell durch die Welt reist, verpasst du die kleinen Details und die feine Struktur, die jeden Ort aufregend und einzigartig machen. Du besuchst Orte, ohne sie wirklich zu erleben, und kehrst dann müder nach Hause zurück als du losgefahren bist. Wenn du langsamer reist, erreicht das Reisen ein neues Level. Du fängst an, Dinge zu bemerken. Du verbindest dich mit Menschen. Du erlebst die Welt in all ihrer Fülle und Staunen. Wenn du langsamer wirst, schaffst du “proustsche” Erinnerungen, die ein Leben lang halten. Deshalb wächst die Slow-Travel-Bewegung so schnell! Eines sollte jedoch klar sein: Langsames Reisen bedeutet nicht, alles im Schneckentempo zu tun. Das wäre absurd. Manchmal sind ein wenig Geschwindigkeit und Adrenalin genau das Richtige. Ein langsamer Urlaub kann Yoga am Strand oder Schaukeln in einer Hängematte beinhalten. Aber er kann auch Bungee-Jumping und Wildwasser-Rafting umfassen. Worauf es ankommt, ist nicht, wie schnell die Aktivität ist, sondern wie du sie angehst. Denn langsames Reisen ist letztendlich eine Geisteshaltung. Es bedeutet, präsent, neugierig und lebendig im Moment zu sein. Sich in die lokale Kultur einzubinden. Leichtfüßig auf den Planeten zu treten. Manchmal bedeutet es, einfach anzuhalten und zu staunen. Langsames Reisen ist ein Geschenk für Kinder. Es öffnet den Geist. Macht dich stärker und glücklicher. Lehrt dich über die Welt und über dich selbst. Bringt dich näher zu anderen Menschen.

Hast du alle Reisen selbst unternommen?

Nein, das habe ich nicht. Einige Reisen habe ich selbst gemacht. Die anderen habe ich durch das Lesen vieler Berichte anderer Menschen, Interviews mit Mitreisenden und das Anschauen von Videoblogs recherchiert. Es war eine schöne Möglichkeit, Orte „von meinem Schreibtisch aus“ zu besuchen.

Du gibst 12 Tipps fürs langsame Reisen am Ende des Buches. Welcher ist dein Favorit oder der wichtigste für dich?

Schwer zu sagen, denn ich liebe sie alle! Aber wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich mich für Tipp Nr. 5 entscheiden: Sei offen für Serendipität (Glückliche Zufälle). Wir führen oft hyper geplante Leben, in denen jeder Moment im Voraus festgelegt ist. Aber dadurch verpassen wir die Schönheit und Magie der Serendipität. Es ist, wie John Lennon einmal sagte: „Das Leben passiert, während du damit beschäftigt bist, andere Pläne zu machen.“ Wenn man weniger plant, wenn man aufhört, einem Skript zu folgen, wenn man im Moment einfach mit dem Fluss geht, wird das Reisen viel bereichernder und schöner.

Müssen wir langsam leben, um langsam zu reisen, oder können wir damit beginnen, langsam zu reisen, um ein neues, langsames Leben zu finden?

Beides! Das Ideale ist, immer Slow zu leben, sodass Slow nicht nur etwas ist, das du im Urlaub tust. Und natürlich, wenn du generell ein langsames Leben führst, wird es einfacher sein, Slow Travel zu praktizieren: Du wirst nicht so viele Speed-Entzugserscheinungen verspüren! Das Reisen kann jedoch ein wunderbarer Ausgangspunkt sein, um ein langsames Leben anzunehmen. Denn in der Regel hast du beim Reisen mehr Kontrolle über deine eigene Zeit, dein Tempo und deine Rhythmen. Dadurch wird es einfacher, mit einem langsamen Ansatz zu experimentieren.

Wann war das letzte Mal, dass du „schnell gereist“ bist?

Ich mache schon so lange langsame Reisen, dass ich heutzutage fast nie zu schnell unterwegs bin!

Wie fühlt es sich für dich an, älter zu werden? Langsam oder schnell?

Ein bisschen von beidem! Ich spiele immer noch Hockey – ein kompetitiver Sport – aber ich kann definitiv nicht mehr so schnell laufen wie in meiner Jugend. Aber mein Überblick über das Spiel ist jetzt besser;  es ermöglicht mir, schnellere und klügere Entscheidungen zu treffen. Eine Sache, die wir mit dem Alter oft gewinnen, ist die Fähigkeit, mehr im Moment präsent zu sein. Um langsamer zu werden und das Hier und Jetzt zu genießen. Ich bemerke das auch in meinem eigenen Leben.

Was ist deiner Meinung nach die größte Herausforderung, die der demografische Wandel für unsere Gesellschaft darstellt?

Altersdiskriminierung. Trotz der Tatsache, dass wir heutzutage besser und länger leben als jemals zuvor, scheinen unsere Empfindungen gegenüber dem Älterwerden paradoxerweise immer negativer zu werden. Die bloße Vorstellung, in die Jahre zu kommen, löst eine Kaskade von Emotionen aus – Angst, Schuld, Scham, Abscheu und Verleugnung.

Wenn wir tatsächlich das Maximum aus unseren verlängerten Lebensspannen herausholen wollen, dann müssen wir uns den Herausforderungen der Altersdiskriminierung stellen und die übertriebene Verherrlichung der Jugend überwinden.

Glaubst du, es existiert in unserer Gesellschaft eine Art Kluft, Konflikt oder ein Mangel an Verständigung zwischen der älteren und der jüngeren Generation?

Tatsächlich, nicht in dem Maße, wie es oft dargestellt wird. Innerhalb der Generationen gibt es schon so viele Unterschiede.. Nicht alle Menschen im Alter von 20 Jahren teilen dieselben Ansichten, genauso wenig wie alle 65-Jährigen identische Perspektiven haben. 

Abgesehen davon haben ältere Menschen in vielen Ländern im Durchschnitt mehr Besitz und Vermögen – und das kann zu Konflikten auf unterschiedlichen Ebenen führen.

Wie können wir in Zukunft harmonischer und besser zusammenleben, unabhängig vom Alter? Gibt es inspirierende Beispiele aus anderen Kulturen, die du als Vorbild siehst?

Wir müssen anfangen, die Generationen zu mischen, wo immer es möglich ist. Im Arbeitsleben bedeutet das: Teams aus verschiedenen Altersgruppen zu bilden und Programme für Reverse-Mentoring zu schaffen. In Schulen könnten Kinder unterschiedlicher Altersstufen voneinander lernen indem sie altersgemischte Klassen besuchen. Des Weiteren sollten wir uns bemühen, unsere Nachbarschaften so zu gestalten, dass sie Menschen in allen Lebensphasen anziehen.

Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten Themen im Zusammenhang mit dem Älterwerden, die in unserer Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit und Lösungen erfordern?

Die Bekämpfung von Altersdiskriminierung. Aufbrechen von Alterssilos, um die Generationen zu mischen. Umgestaltung des Finanzsystems und der Arbeitsmärkte, damit jeder sein Leben lang für sich selbst sorgen kann. Prävention als oberste Priorität der Gesundheitssysteme. Schaffung einer Kultur, die weniger sitzend und weniger einsam ist.

Wir müssen uns den Herausforderungen der Altersdiskriminierung stellen und die übertriebene Verherrlichung der Jugend überwinden.

Welches Produkt hast du dir gekauft, an das du vor 10 Jahren noch nicht gedacht hättest?

Eine Lesebrille. Sie sind ein kolossales Ärgernis. Ich verliere sie ständig oder mache sie kaputt. Außerdem ist sie schwer sauber zu halten. Ich wünschte, jemand würde eine bessere Lösung für die nachlassende Sehkraft finden!

Möchtest du uns einen kleinen Einblick in dein nächste Projekt geben?

Ich arbeite gerade an einem Renaissance Retreat in der Toskana. Es wird für Menschen jeden Alters sein, die einen neuen Abschnitt in ihrem Leben beginnen möchten.

 

Vielen Dank für das Interview und wir freuen uns, mehr über das Toskana Retreat zu erfahren.

Kategorie: Bücher, Interview, Reisen
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