Vor Kurzem traf ich vor der Praxis meines Hausarztes eine Frau, die ihr Dreirad vor der Tür abschloss, ihren Stock schnappte und in der Praxis verschwand. Vorher hatte ich sie aber noch auf ihr elektrisch unterstütztes Dreirad angesprochen – und sie war sichtlich stolz und froh, trotz körperlicher Einschränkungen, einen Weg gefunden zu haben, sich unabhängig durch das Viertel bewegen und unkompliziert ihre Einkäufe nach Hause bringen zu können.
Es war ihr anzumerken, dass sie Freude am Fahren hatte!
Mittlerweile sehe ich immer mal wieder ein Dreirad im Straßenverkehr – neben den vielen Rollatoren und gelegentlich einem Elektromobil. Schenkt man den Benutzern Glauben, so war der Umstieg auf Dreirad oder Rollator immer ein längerer Prozess: Vom Altbewährten zu ganz neuen, häufig ungewollten Mobilitätshilfen, die leider immer auch immer auf ein „Problem“ hinweisen. Das Problem, nicht mehr richtig laufen zu können, das Problem, das Gleichgewicht nicht mehr halten zu können, das Problem, sich nicht mehr sicher im Straßenverkehr zu bewegen, das Problem als „alt“ abgestempelt zu werden. Und ganz ehrlich: Die meisten Mobilitätshilfen sind nicht besonders hilfreich dafür, diese Defizite ins Positive umzudeuten.
Freude am Fahren und an Mobilität
Ganz egal in welchem Alter man ist, Mobilität macht Freude. Es macht einfach Spaß: die Freiheit, der Wind in den Haaren, die langen, unabhängigen Strecken, die man fahren kann. Es ist ein großer Spaß – und das in jedem Alter – wenn der Tritt in die Pedale den persönlichen Radius erweitert.
Mobilität im Wandel
Mobilität ist im Wandel. Das sagen nicht nur die Zukunftsforscher, sondern das lässt sich genau so schon überall beobachten.
In vielen Städten flitzen Carsharing-Autos umher, E-Scooter werden für den kurzen Weg genutzt, an jeder Ecke lassen sich Fahrräder leihen, Paket- und Lieferdienste steigen in den überfüllten Straßen auf Lastenfahrräder um.
Es ist also was im Busch, und so manche Weltstadt wie Paris, Mailand und New York ist bei der Entwicklung schon heute richtig weit vorn, was das Thema „Shared Streets“ angeht und arbeitet daran, einen besser gemeinsam nutzbaren öffentlichen Raum zu schaffen. Indem zum Beispiel strikte Separierung von Kraftfahrzeugen, Passanten und Radelnden aufgehoben werden, entsteht ein gemeinsames Straßenbild.
An der Nahtstelle zwischen sozialen und technischen Errungenschaften wirkt eine gesundheitsorientierte Mobilität in viele Richtungen – und zeigt zugleich, dass die Frage nach der Mobilität im Kern die Frage nach Lebensqualität ist. Weil eine gesunde Umwelt ohne eine gesunde Mobilität nicht möglich ist, bündelt der Megatrend Mobilität mächtige Trendbewegungen, die zusammen in eine Richtung weisen: hin zu einer sicheren, sauberen und gesunden Mobilität der Zukunft.
Megatrend Mobilität, Zukunftsinstitut
Slow Travel
In einer Stadt, in der Infrastrukturen sinnvoll geteilt werden, gleichen sich auch Geschwindigkeiten an. Und das ist gut für die Teilhabe aller im Straßenverkehr.
Dieser Trend zum „Slow Travel“ wird um eine wichtige Dimension erweitert, nämlich um die persönliche Erfahrung, mobil sein zu können und dies auch als Möglichkeit einer gesunden Lebensführung zu verstehen.
Welche Fortbewegungsmittel eignen sich vor diesem Hintergrund besonders für die wachsende Zielgruppe der „New Old“? Also derjenigen älteren Erwachsenen, die die ein oder andere körperliche Einschränkung erfahren, aber aktiver Teil der gesellschaftliche Entwicklung sind und das Potential haben, neue Trends zu setzen. Oder die eben einfach ihre bisherigen Mobilitätsgewohnheiten – auch jenseits vom Autofahren – weiterführen wollen?
Das Dreirad als Lösung?
Und so habe ich mich in Hamburg auf den Weg gemacht, Freude am Fahren auf Dreirädern zu entdecken. Welche Möglichkeiten werden angeboten, wenn es eine Alternative zum klassischen Fahrrad sein soll? Mein Ziel: Ein Vor-Ort-Besuch kleiner und großer Fachhändler für Mobilitäts-Lösungen, vor allem mit dem Fokus auf E-Mobilität.
Na klar, es gibt viele Menschen, die sich auch im höheren Alter im Straßenverkehr dauerhaft sicher fühlen mit zwei Rädern unter dem Sattel, mit oder ohne elektrische Unterstützung. Aber was ist mit denen, die sich nicht mehr ganz so stabil fühlen und eine Alternative suchen?
Von den Händlern wird dann gerne auf die – tatsächlich in vielen Ausführungen daher kommenden – Erwachsenen-Dreiräder verwiesen. Sie erfüllen eine Reihe von Anforderungen: Sie sorgen für Sicherheit an der Ampel, weil man sitzen bleiben kann, transportieren Einkäufe bis vor die Haustür und sind verhältnismäßig leicht. Ergänzt mit Elektro-Motoren können sie sicher Spaß machen. Aber dennoch: Ein gewisses Stigma schwingt immer mit. Sie sehen einfach aus wie etwas, das man mit der Kindheit hinter sich gelassen hat. Oder eben wie Therapieräder. Häufig werden sie dann auch noch so bezeichnet.
Die bessere Alternative dazu, so meine Überlegung, wäre vielleicht ein dreirädriges Lastenrad. Lastenräder prägen unser Stadtbild sowieso schon, werden als Lifestyle-Produkt wahrgenommen und überdies gibt es sie in vielen Ausführungen. Die ließen sich sich doch sicher einfach umfunktionieren für die veränderten Anforderungen. Dachte ich.
Das Ergebnis meiner Recherche fällt ernüchternd aus. Die Cargobike-Hersteller haben beinahe ausschließlich die Lieferdienste und urbanen Familien im Blick, die ihren Nachwuchs oder größere Einkäufe durch die Straßen befördern. Andere Nutzungs-Szenarien werden kaum mitgedacht und so sind die (dreirädrigen) Räder immer mit mehr oder weniger schweren und geräumigen, Kisten ausgestattet. Auch mit E-Unterstützung braucht es hier noch Kraft und Rangiergeschick auf engen Straßen und schmalen Radwegen. Und so viel Platz, wie die großen Kisten bieten, braucht man als Einzelperson vermutlich eher selten.
Für alle Dreirad-Versionen gilt zudem, dass sie sich nicht ganz selbstverständlich und einfach fahren lassen. Ein bisschen Übung braucht es schon; sowohl bei den Dreirädern, die ihre zwei Räder auf der hinteren Achse haben (also den sogenannten Therapierädern) als auch bei den Cargobikes mit den Rädern vorn. Ohne Probefahrt lässt sich nicht herausfinden, welche Variante sich für einen eignet.
Das Fazit meiner Recherche: Das perfekte Rad für anspruchsvolle Menschen mit besonderen Anforderungen hinsichtlich Handhabbarkeit, Stabilität und Design zu finden, scheint eine echte Herausforderung zu sein. Keiner der Händler hatte eine wirklich gute Lösung parat.
Dreiräder für Erwachsene mit Einschränkungen als „Therapieräder“ zu bezeichnen – da beginnt doch schon das Dilemma. Es braucht einen echten Paradigmenwechsel: Sprache und Produktdesign müssen revolutioniert werden!
Christiane, Age of Style
Age of Style Empfehlung
Diese Erfahrung war Ansporn, weiter zu recherchieren und wir haben Dreirad-Modelle gefunden, die den Anfang machen, weil sie ein universelles Design (Universal Design) im Hinblick auf ganz unterschiedliche Nutzungsszenarien und Zielgruppen zum Prinzip machen. Und dabei richtig toll aussehen.
Zwei der sehr unterschiedlichen Cargobike Konzepte, die überzeugen:
Das Chike Lastenrad, entwickelt von einem Kölner Hersteller. Im Kundenfokus stehen Familien und kleinere Handwerksbetriebe; dabei wurde aber eines der wendigsten Dreiräder für die City für Jedermann entworfen.
Wer die Räder lieber hinten hat, dem sei das Trike Konzept von Cube ans Herz gelegt.
In Zusammenarbeit von Cube und BMW ist dieses Konzept für nachhaltige Mobilität entstanden.
Ein ultrakompaktes, wendiges und sicheres Fahrrad, das von allen benutzt werden kann und Spaß macht
Cube
Das Cube-Trike ist noch in der Prototypen-Phase. Ab 2023 kann man es hoffentlich Probe fahren.